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Ringversuch 243: Gammopathien

 

Ein Beitrag von Prof. Dr. med. Dirk Peetz

INSTAND RV-Leiter & INSTAND e.V. Vorstand - Kassenwart; Chefartz, Institut für Labormedizin Helios Klinikum Berlin-Buch GmbH

Der Ringversuch 243 Gammopathien enthält mit den Parametern Nachweis des monoklonalen Proteins (qualitativ),Freie Leichtketten Typ Kappa und Lambda (quantitativ und Quotient), sowie den Antikörpernachweisen IgA, IgG, IgMwesentliche Elemente der Diagnostik und Verlaufskontrolle des Multiplen Myeloms.

In der sehr lesenswerten S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge für Patienten mit monoklonaler Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) oder Multiplem Myelom [1] der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF), Deutschen Krebsgesellschaft e. V. (DKG) und der Stiftung Deutsche Krebshilfe (DKH) von Februar 2022 ist die Anwendung dieser und weiterer Parameter gut und klar beschrieben. Ebenfalls sehr empfehlens- und lesenswert ist die Onkopedia Leitlinie Multiples Myelom [2] der DGHO, OeGHO, SGH+SSH und SMO/SSOM/SGMO.

In der hier vorgestellten Übersicht sind die relevanten, zum allergrößten Teil auf laboratoriumsmedizinischen Untersuchungen basierenden diagnostischen Kriterien zusammengefasst.

Initial- und Verlaufsdiagnostik bei hinreichendem klinischen Verdacht:

Nachweis von Organdysfunktionen

  • z. B. Kreatinin/Nierenfunktionsstörung

Nachweis von Myelom-assoziierten Phänomenen

  • z. B. Immunglobuline/Antikörpermangel oder LDH. indirektes Bilirubin, Haptoglobin bei Verdacht auf Autoimmunhämolyse

Nachweis des monoklonalen Proteins im Serum und ggfs. im Urin

  • Eiweißelektrophorese oder Kapilarzonenelektrophorese
    - mit Quantifizierung des Paraproteins (aus Fläche des M-Gradienten) bei Erstdiagnose und im Verlauf zur Kontrolle des Therapieansprechens
  • Immunfixation mit IgG/A/M und Kappa/Lambda
    - um IgD/E erweitern, wenn G/A/M negativ und monoklonales Kappa oder Lambda vorliegt
    - bei hinreichendem klinischen Verdacht Immunfixation und Kappa/Lambda-Messung auch durchführen, wenn kein M-Gradient in der Elektrophorese vorliegt
  • Quantifizierende Urinuntersuchungen immer aus 24h-Sammelurin
  • Quantitative Bestimmung der freien Kappa- und Lambda-Leichtketten im Serum inkl. Ratio zum Zeitpunkt der Erstdiagnose und zur Verlaufskontrolle
  • Keine standardmäßige Bestimmung der freien Leichtketten im Urin in der Verlaufskontrolle

Zelluläre Nachweis:

  • Mikroskopische Leukozytendifferenzierung bei Diagnosestellung und Progress
    - Anteil (atypischer) Plasmazellen
  • Knochenmarkuntersuchung bei Initialdiagnostik
    - mit Aspirationszytologie und Histologie
    - ggf. Durchflusszytometrie
    - Immunhistochemie am Knochenmarktrepanat zur Plasmazellquantifizierung und zum Nachweis einer Leichtkettenrestriktion sowie aberranter Antigenexpression (z.B. CD56, Cyclin D1)
  • Zytogenetik und molekulare Diagnostik
    - Details siehe Leitlinie

Klassifikation vor allem auf Basis labordiagnostischer Kriterien:

  • Monoklonale Gammopathie unbestimmter Signifikanz vom Nicht IgM Typ
  • Monoklonales Serumprotein <30g/L
    - Klonale Plasmazellen im Knochenmark <10% 
    Keine auf die Plasmazellproliferation zurückführbaren Endorganschäden (Hyperkalzämie, Niereninsuffizienz, Anämie oder Knochenläsionen – CRAB Kriterien, siehe symptomatisches Multiples Myelom)
  • Asymptomatisches (smouldering) Myelom
  • Monoklonales Serumprotein >30g/L (bzw. >500mg/24 im Urin) und/oder 10-60% klonale Plasmazellen im Knochenmark
    Keine Endorganschäden oder Amyloidose
  • Symptomatisches multiples Myelom
  • >10% klonale KM-Plasmazellen oder bioptisch gesichertes Plasmozytom mit >1 Myelom-definierende Kriterien
    - Endorganschäden durch Plasmazellproliferation – CRAB-Kriterien:
      Calcium >110 mg/L oder >10 mg/L über oberer Referenzbereichsgrenze (Hyperkalzämie)
     Renal mit Kreatinin >177 µmol/L oder Kreatininclearance <40 ml/min (Niereninsuffizienz)
    Anemia mit Hämoglobin <100g/L oder >20g/L unter unterer Referenzbereichsgrenze (Anämie)
    Bone mit >1 Osteolyse in Röntgen, CT, PET/CT (Knochenläsionen)
    - Einer der folgenden Biomarker: ≥60% klonale KM-Plasmazellen, Freie Leichtkettenratio >100 und/oder 1 fokale MRT-Läsion

Beurteilung des Therapieansprechens/Progresses/Rezidivs anhand von Laborparametern entsprechend der Empfehlungen der International Myeloma Working Group (IMWG):

  • Stringent Complete Response (sCR)
  • Normale FLC-Ratio
    - Fehlen klonaler Zellen in KM-Biopsie (Immunohistochemie κ/λ ratio ≤4:1 or ≥1:2)
  • Complete Response (CR)
  • Negative Immunfixation (Serum und Urin) durch Zweituntersuchung bestätigt
    - Normale FLC-Ratio
    - <5% Plasmazellen im Knochenmark
    - Keine Weichteilmanifestationen
  • Nearly Complete Response (nCR, in IMWG nicht enthalten, durch Leitlinie ergänzt)
  • Positive Immunfixation Serum und/oder Urin
    - kein Nachweis von monoklonalem Protein/M-Gradienten in Elektrophorese (Serum bzw. 24 Std.-Sammelurin)
    - Keine Weichteilmanifestationen 
    - unabhängig vom Plasmazellen-Anteil im Knochenmark; oder serologische CR mit unbekanntem Knochenmarkstatus
  • Very Good Partial Response (VGPR)
  • Serum- und /oder Urin-M-Protein bzw. LK im Urin nachweisbar
    - ≥90% Reduktion des Serum-M-Proteins (M-Gradient) 
    - Urin-M-Protein <100 mg/24h
    - ≥90% Reduktion der Differenz betroffener und nicht betroffener freier Leichtkette
  • Partial Response (PR)
  • ≥50% Reduktion Serum-M-Protein (M-Gradienten) und Reduktion Leichtketten-Ausscheidung im 24 Stunden Urin (um ≥ 90% oder <200 mg/24h)
    - Wenn Serum- und Urin-M-Protein nicht messbar: Abnahme von ≥ 50% in Differenz „betroffene“ und „nicht betroffene“ FLC (anstelle M-Protein-Kriterien)
    - Wenn FLC nicht messbar: ≥50% Reduktion KM-Plasmazellen falls initial ≥30%
    - ≥50% Reduktion Größe der Weichteilmanifestationen
  • Minimal Response (MR)
  • 25-49% Reduktion Serum-M-Protein (M-Gradienten)
    - 50-89% Reduktion Leichtketten-Ausscheidung im 24-Stunden-Urin, diese jedoch noch ≥ 200 mg/Tag
    - ≥50% Reduktion in der Größe von Weichteil-Manifestationen
  • Stable Disease (SD)
  • keines der vorherigen Kriterien noch die des Krankheitsprogresses werden erfüllt
    - gilt als Nicht-Ansprechen
  • Progressive Disease (PD, eines oder mehrere der folgenden Kriterien)
  • Zunahme M-Proteins Serumoder Urin (M-Gradient) ≥25% im Vergleich zum Nadir, absoluter Anstieg um mindestens um ≥5 g/l (Serum) und/oder Leichtketten-Ausscheidung ≥200 mg/Tag (Urin)
      (bei Ausgangswert Serum-M-Proteins von ≥ 50 g/l Zunahme von ≥10 g/l)
    - Wenn Serum- und Urin-M-Protein nicht messbar: Zunahme von ≥ 25% in Differenz „betroffene“ und „nicht betroffene“ FLC, absoluter Anstieg um mindestens um ≥100 mg/l (anstelle M-Protein-Kriterien)
    - Zunahme KM-Plasmazellen ≥25% im Vergleich zum Nadir, absoluter Anstieg um ≥10% (nur asekretorische Verläufe)
    - Neue Knochenläsionen oder Weichteilmanifestationen oder Größenzunahme ≥50% im Vergleich zum Nadir (Summe der orthogonalen Durchmesser von >1 Läsion oder ≥50% Zunahme längster Durchmessers einer vorhandenen Läsion >1 cm)
    - ≥50% Zunahme zirkulierende Plasmazellen (mindestens 200 Zellen/ μL), falls dies einzig messbare Größe

Prognostische Faktoren des Multiplen Myeloms:

  • Internationales Staging System (ISS) und revised ISS
  • Stadium I: b2-Mikroglobulin < 3,5 mg/l und Serum-Albumin ≥ 3,5 g/dl und Zytogenetik Standardrisiko undLDH ≤ oberer Normwert
    - Stadium II: weder Stadium I noch Stadium III
    - Stadium III: b2-Mikroglobulin ≥ 5,5 mg/l und Zytogenetik Hochrisiko oder LDH > oberer Normwert
  • Genetische Hochrisikosituation
  • Del17p >20% der sortierten Plasmazellen (FISH)
    - TP53 Mutation (unabhängig von Allelfraktion)
    - Biallelische del(1p32)
    - t(4;14) oder t(14;16) oder t(14;20) in Kombination mit gain/amp 1q oder monoallelischen del (1p32)
    - Zugewinn 1q (unabhängig von Kopienzahl) in Kombination mit del(1p32), t(4;14)/t(14;16)/t(14;20).

Die Labordiagnostik ist ein entscheidender Schritt in der Diagnose und Behandlung des Multiplen Myeloms und ermöglicht neben der genauen Diagnosestellung und der prognostischen Einschätzung eine optimale Therapieplanung und –überwachung. Neben dem Ringversuch 243 Gammopathien werden in verschiedenen weiteren hämatologischen Ringversuchen von INSTAND regelmäßig auch Proben von Patienten mit Multiplen Myelom verwendet und tragen als externe Qualitätssicherung zur Sicherung einer qualitativ hochwertigen Diagnostik bei:

RV 212 Hämatologie 07 – Differentialblutbild - Hämatologie 07 - Differentialblutbild - INSTAND e.V. (instand-ev.de)
Prof. Dr. med. Dr. phil. Torsten Haferlach │ Prof. Dr. med. Wolfgang Kern
Beurteilung und Diagnose, Differenzierung in %, Ery-, Leuko- , Thrombozytenmorphologie

RV 214 Hämatologie 12 - Immunphänotypisierung 02 - Hämatologie 12 - Immunphänotypisierung 02 - INSTAND e.V. (instand-ev.de)
Dr. med. Richard Schabath│ Prof. Dr. med. Wolfgang Kern
Immunphänotypische Diagnostik

RV 218 Hämatologie 09 - Knochenmarkzytologie - Hämatologie 09 - Knochenmarkzytologie - INSTAND e.V. (instand-ev.de)
Prof. Dr. med. Dr. phil. Torsten Haferlach│ Prof. Dr. med. Winfried Gassmann
Beurteilung und Diagnosestellung - Online im virtuellen Mikroskop

RV 243 Gammopathien - Gammopathien - INSTAND e.V. (instand-ev.de)
Prof. Dr. med. Dirk Peetz │ Dr. med. Christoph Niederau
Freie Leichtketten Typ Kappa (quantitativ), Freie Leichtketten Typ Lambda (quantitativ), Gammopathien, IgA, IgG, IgM, kappa/lambda (Quotient)

RV 292 Tumormarker - Tumormarker - INSTAND e.V. (instand-ev.de)
Prof. Dr. med. Stefan Holdenrieder │ Prof. Dr. med. Dirk Peetz
b2-Mikroglobulin und 20 weitere Tumormarker

RV 765 Molekulare Onkologie 09 - TP53 - Molekulare Onkologie 09 - TP53 - INSTAND e.V. (instand-ev.de)
Prof. Dr. Karl-Anton Kreuzer│ Dr. rer. nat. Eva Lorsy
TP53 Mutation(en), TP53 Nomenklatur
 

Referenzen:

[1] Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Diagnostik, Therapie und Nachsorge für Patienten mit monoklonaler Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) oder Multiplem Myelom, Langversion 1.0, 2022, AWMF-Registernummer: 018/035OL, https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/multiples-myelom/. (Zugriff am 12.10.2024)

[2] Körtum M et al. Onkopedia Leitlinie Multiples Myelom. Stand Oktober 2024. https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/multiples-myelom/ (Zugriff am 12.10.2024)

 


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